Dienstag, 18. November 2014

Santiago de Chile

Die letzte Station meines Aufenthaltes in der zentralen Region des Landes bildet die Hauptstadt, Santiago de Chile. Eine Millionenstadt mit über sechs Millionen Einwohnern, an Wochentagen werden es durch die Arbeitspendler noch einige mehr. Doch heute ist Sonntag und so hält sich der Verkehr noch in Grenzen. Ich erreiche die Stadt relativ früh am Morgen, so dass ich im Hostal noch nicht einchecken kann. Und mit dem schweren Handgepäck möchte ich nicht allzu weit laufen, weshalb mein erstes Ziel der „Hausberg“ sein soll, auf welchen eine altehrwürdige Seilbahn fährt. Von hier bietet sich ein toller Überblick über weite Teile der Metropole. Und sieht man auch den Smog sehr eindrücklich, welcher die Stadt während der meisten Monate beherrscht. Es hat sehr viele Menschen hier, insbesondere auch Radfahrer und Jogger, welche hier der Hitze und der schlechten Luft entkommen möchten. So bleibe ich da sitzen, schaue auf die Stadt und die Menschen hier und geniesse eine Empanada – eine gefüllte Teigtasche – und eine lokale Spezialität: Ein Becher, gefüllt mit Weizen, einem Pfirsich und einer Art Pfirsicheistee. Lecker und hier in aller Hände. Ich steige noch einige Stufen empor zur den Hügel dominierenden Statue der Madonna. Einige beten hier, doch die Mehrzahl macht Fotos oder plaudert.

Danach gehe ich zurück ins Hostel, welches im schönen Quartier Bellavista, unweit des Zentrums liegt. Ich kann mein Gepäck im Zimmer deponieren und mache mich auf den Weg, diese Stadt zu entdecken. Es ist Mittag und bereits weit über 30 Grad… Einige der Hauptachsen sind für die Autos bis 14:00 gesperrt und werden in grosser Zahl von Radfahrern und in kleinerer Zahl von Inline-Skatern genutzt. Dies ist jeden Sonntag so und sorgt für eine ausgelassene Stimmung :-)

Ich laufe immer weiter und gelange schliesslich zur Plaza de Armas, der Plaza im Stadtzentrum. Doch leider ist diese abgesperrt, da grad gebaut wird. Doch halb so wild, ich folge der Fussgängerzone an den Fluss, wo ein alter Bahnhof steht, der mittlerweile für Ausstellungen genutzt wird. Es ist ein klassischer alter Bahnhofsbau, der mir sehr gefällt. Heute ist eine Ferienmesse drin, welche ich besuche, um die Halle besser auf mich wirken zu lassen. Und es hat noch etwas lustiges, gerade in dieser Situation an einer Ausstellung über Ferien und Reisen zu sein ;-)

Im Anschluss laufe ich immer weiter in Richtung Westen, durch verschiedene spannende Viertel, welche wohl zu einem grossen Teil Tugurios sein dürften – zum Schluss dieses Eintrages werde ich mich noch etwas der Stadtgeografie widmen… Da wird dann auch dieser Begriff noch fallen für diejenigen, welche die Theorie interessiert. Die Viertel sind geprägt von ca. 4-stöckigen Häusern, welche aber in einem meist schlechten Zustand und teilweise sogar ganz verfallen sind. Auch hier finden sich sehr viele Murales und ab und an dazwischen ein renoviertes Haus. Hier läge sehr viel Potenzial für eine andere Nutzung… Schliesslich gelange ich zum Museo di Memoria, welches den Opfern des Putsches des 11. Septembers (!) von 1973 und der darauf folgenden Militärdiktatur gedenkt. Nachdem diese 1990 zu einem Ende kam, wurde vieles wie schon beschrieben beibehalten und auch die Militärs nicht für ihre Taten belang. Von daher ist dieser Ort besonders wichtig, um alledem zu gedenken. Vieles ist spannend, doch leider finden sich nur sehr wenig Informationen auf Englisch…

Danach gehe ich zurück in Richtung Stadtzentrum. Die Bilder gleichen sich, und je näher ich an die Downtown komme, desto krasser erscheinen die Gegensätze zwischen den heruntergekommenen Wohnhäusern und den paar glänzenden Büro-Wolkenkratzern… Von einem Hügel mitten in der Stadt aus wird die Übersicht grad noch viel besser. Von hier ist sehr schön vieles der Stadtstruktur zu erkennen :-) Und auch hier, wie in den anderen der zahlreichen Parks der Stadt, finden sich viele Menschen. Diese grünen Oasen werden rege genutzt! Durch ein aufstrebendes Viertel mit Restaurants und Cafes und einem Strassenmarkt mache ich mich schlussendlich auf den Weg zurück ins Hostel. Ich freue mich auf eine Pause im gemütlichen Innenhof und nutze diese auch für etwas „Reise-Arbeit“: Waschen und recherchieren für die nächsten Etappen. Den Abend verbringe ich dann im Quartier. Es ist ein sehr lebendiges Quartier mit vielen Restaurants und Bars. Die Restaurants haben auch viele Tische draussen, denn auch um 21:00 ist es immer noch weit über 20 Grad. Es entstehen hier auch viele neue Lokale und es hat auch Theater und ähnliches, wiederum vieles in Gebäuden mit Murales, doch die meisten Häuser hier sind in einem besseren Zustand. Alles in allem ein sehr angenehmer Ort, um sich unters Volk zu mischen, lecker zu essen und die Bühne „Strasse und Trottoir“ zu begutachten ;-) Ich geniesse auch noch etwas das Städtische, wird es doch morgen in den Norden des Landes in die Atacama-Wüste gehen…

Nun wie angekündigt noch etwas stadtgeografische Theorie… Das mit den Modellen ist ja immer so eine Sache, denn ein Modell muss ja falsch sein, da es immer eine Vereinfachung einer komplexen Struktur darstellen soll. Und wenn es dann um eine so dynamische Struktur wie eine Grossstadt geht, wird dies noch etwas verzwickter. Im Falle der lateinamerikanischen Stadt soll im alten Zentrum der Stadt eine Plaza zu finden sein, um welche herum sich die beiden wichtigsten Gebäude finden: Die Kirche und das Rathaus. Dann folgen meist im Schachbrettmuster die älteren Gebäude, welche jedoch mittlerweile eher verfallen, weil es sich die Oberschicht, welcher diese Gebäude gehören, längst in einer besonders schönen Ecke der Stadt gemütlich und schön – und zum Teil auch prunkig – eingerichtet hat. Daher werden diese verfallenden Häuser ganz in der Nähe des Zentrums von einkommensschwachen Personen, oft von Zuwanderern aus ländlichen Regionen, bewohnt. Es folgen dann viele verschiedene Quartier, mal etwas reicher, mal etwas ärmer und am Stadtrand lassen sich dann die Neuzuzüger in einfachen Hütten, den Barriadas nieder. So weit die Theorie. Und vor allem in Santiago ist dieses Modell zu weiten Teilen auch wirklich so zu finden. Downtown finden sich einige Bürotürme, doch schon in sehr naher Umgebung sind ehemals schöne Gebäude zu finden, die keine Wohnqualität mehr aufweisen, aber offensichtlich noch bewohnt sind. Und auch die Reichenviertel finden sich, schön herausgeputzt und mit sauberen Strassen. Dies so konkret vor der Nase zu finden, ist eine sehr spannende Erfahrung.

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