Danach gehe ich zurück ins Hostel, welches im schönen
Quartier Bellavista, unweit des Zentrums liegt. Ich kann mein Gepäck im Zimmer
deponieren und mache mich auf den Weg, diese Stadt zu entdecken. Es ist Mittag
und bereits weit über 30 Grad… Einige der Hauptachsen sind für die Autos bis
14:00 gesperrt und werden in grosser Zahl von Radfahrern und in kleinerer Zahl
von Inline-Skatern genutzt. Dies ist jeden Sonntag so und sorgt für eine
ausgelassene Stimmung :-)
Ich laufe immer weiter und gelange schliesslich zur Plaza de
Armas, der Plaza im Stadtzentrum. Doch leider ist diese abgesperrt, da grad
gebaut wird. Doch halb so wild, ich folge der Fussgängerzone an den Fluss, wo
ein alter Bahnhof steht, der mittlerweile für Ausstellungen genutzt wird. Es
ist ein klassischer alter Bahnhofsbau, der mir sehr gefällt. Heute ist eine
Ferienmesse drin, welche ich besuche, um die Halle besser auf mich wirken zu
lassen. Und es hat noch etwas lustiges, gerade in dieser Situation an einer
Ausstellung über Ferien und Reisen zu sein ;-)
Im Anschluss laufe ich immer weiter in Richtung Westen,
durch verschiedene spannende Viertel, welche wohl zu einem grossen Teil
Tugurios sein dürften – zum Schluss dieses Eintrages werde ich mich noch etwas
der Stadtgeografie widmen… Da wird dann auch dieser Begriff noch fallen für
diejenigen, welche die Theorie interessiert. Die Viertel sind geprägt von ca.
4-stöckigen Häusern, welche aber in einem meist schlechten Zustand und teilweise
sogar ganz verfallen sind. Auch hier finden sich sehr viele Murales und ab und
an dazwischen ein renoviertes Haus. Hier läge sehr viel Potenzial für eine
andere Nutzung… Schliesslich gelange ich zum Museo di Memoria, welches den
Opfern des Putsches des 11. Septembers (!) von 1973 und der darauf folgenden
Militärdiktatur gedenkt. Nachdem diese 1990 zu einem Ende kam, wurde vieles wie
schon beschrieben beibehalten und auch die Militärs nicht für ihre Taten
belang. Von daher ist dieser Ort besonders wichtig, um alledem zu gedenken.
Vieles ist spannend, doch leider finden sich nur sehr wenig Informationen auf
Englisch…
Danach gehe ich zurück in Richtung Stadtzentrum. Die Bilder
gleichen sich, und je näher ich an die Downtown komme, desto krasser erscheinen
die Gegensätze zwischen den heruntergekommenen Wohnhäusern und den paar glänzenden
Büro-Wolkenkratzern… Von einem Hügel mitten in der Stadt aus wird die Übersicht
grad noch viel besser. Von hier ist sehr schön vieles der Stadtstruktur zu
erkennen :-) Und auch hier, wie in den anderen der zahlreichen Parks der Stadt,
finden sich viele Menschen. Diese grünen Oasen werden rege genutzt! Durch ein
aufstrebendes Viertel mit Restaurants und Cafes und einem Strassenmarkt mache
ich mich schlussendlich auf den Weg zurück ins Hostel. Ich freue mich auf eine
Pause im gemütlichen Innenhof und nutze diese auch für etwas „Reise-Arbeit“:
Waschen und recherchieren für die nächsten Etappen. Den Abend verbringe ich
dann im Quartier. Es ist ein sehr lebendiges Quartier mit vielen Restaurants
und Bars. Die Restaurants haben auch viele Tische draussen, denn auch um 21:00
ist es immer noch weit über 20 Grad. Es entstehen hier auch viele neue Lokale
und es hat auch Theater und ähnliches, wiederum vieles in Gebäuden mit Murales,
doch die meisten Häuser hier sind in einem besseren Zustand. Alles in allem ein
sehr angenehmer Ort, um sich unters Volk zu mischen, lecker zu essen und die
Bühne „Strasse und Trottoir“ zu begutachten ;-) Ich geniesse auch noch etwas
das Städtische, wird es doch morgen in den Norden des Landes in die
Atacama-Wüste gehen…
Nun wie angekündigt noch etwas stadtgeografische Theorie…
Das mit den Modellen ist ja immer so eine Sache, denn ein Modell muss ja falsch
sein, da es immer eine Vereinfachung einer komplexen Struktur darstellen soll.
Und wenn es dann um eine so dynamische Struktur wie eine Grossstadt geht, wird
dies noch etwas verzwickter. Im Falle der lateinamerikanischen Stadt soll im
alten Zentrum der Stadt eine Plaza zu finden sein, um welche herum sich die
beiden wichtigsten Gebäude finden: Die Kirche und das Rathaus. Dann folgen
meist im Schachbrettmuster die älteren Gebäude, welche jedoch mittlerweile eher
verfallen, weil es sich die Oberschicht, welcher diese Gebäude gehören, längst
in einer besonders schönen Ecke der Stadt gemütlich und schön – und zum Teil
auch prunkig – eingerichtet hat. Daher werden diese verfallenden Häuser ganz in
der Nähe des Zentrums von einkommensschwachen Personen, oft von Zuwanderern aus
ländlichen Regionen, bewohnt. Es folgen dann viele verschiedene Quartier, mal
etwas reicher, mal etwas ärmer und am Stadtrand lassen sich dann die Neuzuzüger
in einfachen Hütten, den Barriadas nieder. So weit die Theorie. Und vor allem
in Santiago ist dieses Modell zu weiten Teilen auch wirklich so zu finden.
Downtown finden sich einige Bürotürme, doch schon in sehr naher Umgebung sind
ehemals schöne Gebäude zu finden, die keine Wohnqualität mehr aufweisen, aber
offensichtlich noch bewohnt sind. Und auch die Reichenviertel finden sich,
schön herausgeputzt und mit sauberen Strassen. Dies so konkret vor der Nase zu
finden, ist eine sehr spannende Erfahrung.
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