Dienstag, 18. November 2014

Llay-Llay

Meine erste Station in Chile ist Llay-Llay, ein Ort, der nur den wenigsten bekannt sein dürfte. Ich werde vom besagten ehemaligen Maturanden abgeholt, der während seiner Kanti-Zeit hier ein Austauschjahr gemacht hat und nun zurückgekehrt ist, um in Santiago de Chile zu studieren. Da das Semester erst im März beginnt, wohnt er, zusammen mit seiner Freundin, welche sich mit ihm entschieden hat, nach Chile auszuwandern, bis für den Moment wieder bei seiner ehemaligen Gastfamilie, die in Llay-Llay lebt. Die Familie ist sehr gastfreundlich und so darf auch ich für diese Tage bei ihnen wohnen :-) Ich werde sehr freundlich empfangen und nach einer kurzen Begrüssung machen wir uns mit den Fahrrädern auf, das Städtchen zu entdecken. Dieses zählt etwas über 20‘000 Einwohner und liegt rund 100 Kilometer von Santiago entfernt. Es gibt viele Wohnquartiere, die von einer Vielzahl von Hunden bevölkert werden. Einige der Hunde sind ohne Heim, doch die meisten dienen als Einbrecherschutz. Nichtsdestotrotz haben eigentlich alle Grundstücke einen relativ hohen Zaun, welcher vonnöten sei, damit nicht eingebrochen werde. Dabei seien es weniger organisierte und geplante Einbrüche als vielmehr Obdachlose, welche auf der Suche nach etwas Geld sind. Doch die Hunde werden nicht spazieren geführt, sondern machen dies selbst. Ähnlich unseren Katzen machen sie sich bemerkbar, wenn sie rauswollen und dann treffen sie sich mit den anderen Hunden, die grad vor dem Haus sind, und bewegen sich so selbständig. Dies bedeutet auch, dass mir bei jedem Spaziergang durch die Stadt jede Menge Hunde begegnen, die einen davon etwas wilder als die anderen, aber zum Glück alle friedfertig ;-)

Zurück zum Ortsbild. Im Zentrum der Stadt findet sich die Hauptstrasse, an und um welche sich die Mehrzahl der Läden und Dienstleistungen sammeln. Es hat zwei kleine Supermärkte, doch werde die Mehrzahl der Besorgungen weiterhin in den kleinen Läden gemacht, die ähnlich wie in anderen Ländern wie „Garagenläden“ aussehen. Auch wir gehen da einkaufen, und so lerne ich grad einige dieser Läden kennen. Die restlichen Quartiere weisen alle Strom- und Wasseranschluss auf, und Wärme fürs Heizen, den Herd oder das warme Wasser wird mittels Gas erzeugt, welches in grossen Flaschen angeliefert wird oder vor Ort gekauft werden kann. Es finden sich auch zahlreiche Sozialbauten, welche sehr eng an eng gebaut worden sind. Chile ist ein sehr neoliberal geführtes Land, ein Erbe aus der Pinochet-Ära, welches auch spätere Mitte-Links-Regierungen mehr oder weniger unverändert übernommen haben. So dienen diese Bauten dazu, die Ärmsten ruhig zu stellen. Die Infrastruktur im Land scheint gut zu funktionieren und Hunger müssen auch nur ganz wenige leiden, doch sei die Schere zwischen Arm und Reich immens und fehle eine soziale Absicherung.

Wir sind auf unserer Rundfahrt noch bei Freunden zu Besuch, er hat Geografie studiert und sie war an einer Kunstschule, musste diese jedoch abbrechen, da sie sich die sehr teuren Studiengebühren nicht leisten konnte. Die öffentlichen Schulen funktionierten mehr schlecht als recht, daher schickten diejenigen, welche es sich leisten können, ihre Kinder an eine Privatschule, welche einige Tausend Franken im Jahr kostet. Und die Unis kosten ebenfalls mehrere Tausend Franken pro Semester, da alles privat organisiert ist. Dies sind in einem Land, in welchem das Preisniveau nicht einmal ansatzweise mit dem schweizerischen vergleichbar ist, horrende Beträge. Dies festige auch die sozialen Strukturen, da sich nur die Reichsten die guten Schulen und Unis leisten können. Das kommt mir doch bekannt vor aus anderen Ländern…

Den Abend verbringen wir zu Hause bei leckerem Essen mit den Eltern und den beiden Freunden mit vielerlei Diskussionen. Teilweise kann ich gut folgen, teilweise wird mir übersetzt und teilweise versuche ich einfach etwas aus dem Kontext zu verstehen, aber es macht grossen Spass, so in den Alltag zu sehen und hören. Aber es ist halt in einer Gruppe nochmals schwieriger als im 1:1, die fremde Sprache zu verstehen.

Für den nächsten Tag möchten wir zu fünft eine Fahrradtour mit Picknick ins Umland der Stadt unternehmen. Es werden Velos organisiert, doch leider werden wir etwas später merken, dass nicht alle in einem guten Zustand sind. Dies sei normal, hat aber Folgen. Wir fahren über eine Brücke und bei der Abfahrt davon machen sich die fehlenden Bremsen bei einem Velo bemerkbar, was in einem heftigen Sturz mündet. Die Kunststudentin kommt glücklicherweise ohne allzu schweren Blessuren davon, weist aber Schnittverletzungen und einen kleinen Schock auf, so dass wir so schnell wie möglich zurück in die Stadt und ins Spital fahren. Einige Stunden später kommen die beiden zum Mittagessen zu uns und zum grossen Glück ist ihr wirklich nichts Schwerwiegenderes passiert! So dass wir sogar noch ein Alternativprogramm für den Nachmittag wählen. Diesmal ohne Fahrrad, sondern mit dem Bus machen wir uns auf den Weg nach San Felipe, einer etwas grösseren Stadt ganz in der Nähe mit schönen Altbauten, einer tollen Plaza und sehr leckerem Eis :-) Dieses verspeisen wir dann auf eben dieser Plaza. Im Unterschied zu der italienischen Piazza ist die südamerikanische Plaza mehr ein Park mit viel Grün und oftmals etwas Wasser. Also der geeignete Ort für die Pause mit dem Glace! Wir besuchen noch ein Museum, eine schöne Holzkirche mit tollem Kreuzgang, ebenfalls aus Holz und zum Schluss eine Wein-Kellerei, um für die geplante Asada am Abend etwas einzukaufen. Und dann geht es zurück nach Hause, wo das besagte Grillfest ansteht :-)

Vorankommen tut man mit unterschiedlichen Bussen. Es gibt die kleinen „Micros“, welche oft anhalten, nicht klimatisiert und oftmals gut gefüllt sind. Und es gibt die grossen und schnellen Reisecars, welche teurer sind. Für kürzere Strecken sind immer erstere die erste Wahl, für längere Strecken fährt man mit dem Micro zur Autobahn und steigt da in den grösseren um. Und so begreife ich nun auch, was mir bei der Anreise passiert ist, nämlich dass ich für die ganze Fahrt in einen Micro geschickt wurde… Das ganze System ist privat organisiert und funktioniert gut. Die grossen Busse sind pünktlich und die kleineren fahren ohnehin in einem guten Takt. Dies auch im Interesse der Fahrer, denn offensichtlich erhalten diese keinen Lohn, sondern erhalten wie als selbständige Unternehmer einfach die Einnahmen aus den verkauften Tickets… Daher fahren sie gerne immer wieder, um so besser verdienen zu können.

Zur Asada sind viele Gäste allen Alters eingeladen, welche ab 19:00 eintreffen. Die ersten Gäste sind bereits da, doch wir machen uns nochmal auf ins Zentrum, um einige Dinge nachzukaufen fürs Abendessen. Es ist ein sehr ungezwungenes Treffen, einige sitzen am Tisch, andere stehen um den Grill oder in der Küche und wieder andere sitzen in der Stube, um zu sehen wie Chile Venezuela im Fussball hoch besiegt. Auch die Gastgeber sind noch einmal aus dem Haus, um weiteres Fleisch zu kaufen, obschon auf dem riesigen Grill schon kaum mehr Platz ist… Aber hier gilt wie in Argentinien: ein Kilo Fleisch pro Person muss schon sein. Und so geht der Abend weiter mit vielerlei Plauderei in immer neuen Runden, und bis schlussendlich zu Tisch gebeten wird, ist es weit nach 22:00. Doch nun wird aufgetragen! Fleisch in Hülle und Fülle, frisches Brot, verschiedene Salate und Aufstriche, Wasser, Säfte, Wein. Alles sehr lecker! Doch es bleibt locker und informell, die ersten beginnen mit dem essen, andere sind noch am Grill in weitere Diskussionen verstrickt oder noch sonstwie beschäftigt, etc. etc. Alles etwas chaotisch, aber gemütlich ;-)

Da die Gastmutter Primarlehrerin ist und einige der Eingeladenen auch, tauschen wir uns auch noch intensiv über die verschiedenen Schulsysteme aus und ohnehin werde ich mit Fragen überhäuft, wie es mir denn gefalle, aber alle sind supernett und geben sich alle Mühe, schön langsam zu sprechen und mein Kauderwelsch zu verstehen, was erfreulich gut klappt. Müde und sehr sehr satt falle ich schliesslich irgendwann ins Bett.

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