Zurück zum Ortsbild. Im Zentrum der Stadt findet sich die
Hauptstrasse, an und um welche sich die Mehrzahl der Läden und Dienstleistungen
sammeln. Es hat zwei kleine Supermärkte, doch werde die Mehrzahl der
Besorgungen weiterhin in den kleinen Läden gemacht, die ähnlich wie in anderen
Ländern wie „Garagenläden“ aussehen. Auch wir gehen da einkaufen, und so lerne
ich grad einige dieser Läden kennen. Die restlichen Quartiere weisen alle
Strom- und Wasseranschluss auf, und Wärme fürs Heizen, den Herd oder das warme
Wasser wird mittels Gas erzeugt, welches in grossen Flaschen angeliefert wird
oder vor Ort gekauft werden kann. Es finden sich auch zahlreiche Sozialbauten,
welche sehr eng an eng gebaut worden sind. Chile ist ein sehr neoliberal
geführtes Land, ein Erbe aus der Pinochet-Ära, welches auch spätere
Mitte-Links-Regierungen mehr oder weniger unverändert übernommen haben. So
dienen diese Bauten dazu, die Ärmsten ruhig zu stellen. Die Infrastruktur im
Land scheint gut zu funktionieren und Hunger müssen auch nur ganz wenige
leiden, doch sei die Schere zwischen Arm und Reich immens und fehle eine
soziale Absicherung.
Wir sind auf unserer Rundfahrt noch bei Freunden zu Besuch,
er hat Geografie studiert und sie war an einer Kunstschule, musste diese jedoch
abbrechen, da sie sich die sehr teuren Studiengebühren nicht leisten konnte.
Die öffentlichen Schulen funktionierten mehr schlecht als recht, daher
schickten diejenigen, welche es sich leisten können, ihre Kinder an eine
Privatschule, welche einige Tausend Franken im Jahr kostet. Und die Unis kosten
ebenfalls mehrere Tausend Franken pro Semester, da alles privat organisiert
ist. Dies sind in einem Land, in welchem das Preisniveau nicht einmal
ansatzweise mit dem schweizerischen vergleichbar ist, horrende Beträge. Dies
festige auch die sozialen Strukturen, da sich nur die Reichsten die guten
Schulen und Unis leisten können. Das kommt mir doch bekannt vor aus anderen
Ländern…
Den Abend verbringen wir zu Hause bei leckerem Essen mit den
Eltern und den beiden Freunden mit vielerlei Diskussionen. Teilweise kann ich
gut folgen, teilweise wird mir übersetzt und teilweise versuche ich einfach
etwas aus dem Kontext zu verstehen, aber es macht grossen Spass, so in den
Alltag zu sehen und hören. Aber es ist halt in einer Gruppe nochmals
schwieriger als im 1:1, die fremde Sprache zu verstehen.
Für den nächsten Tag möchten wir zu fünft eine Fahrradtour
mit Picknick ins Umland der Stadt unternehmen. Es werden Velos organisiert,
doch leider werden wir etwas später merken, dass nicht alle in einem guten
Zustand sind. Dies sei normal, hat aber Folgen. Wir fahren über eine Brücke und
bei der Abfahrt davon machen sich die fehlenden Bremsen bei einem Velo
bemerkbar, was in einem heftigen Sturz mündet. Die Kunststudentin kommt
glücklicherweise ohne allzu schweren Blessuren davon, weist aber
Schnittverletzungen und einen kleinen Schock auf, so dass wir so schnell wie
möglich zurück in die Stadt und ins Spital fahren. Einige Stunden später kommen
die beiden zum Mittagessen zu uns und zum grossen Glück ist ihr wirklich nichts
Schwerwiegenderes passiert! So dass wir sogar noch ein Alternativprogramm für
den Nachmittag wählen. Diesmal ohne Fahrrad, sondern mit dem Bus machen wir uns
auf den Weg nach San Felipe, einer etwas grösseren Stadt ganz in der Nähe mit
schönen Altbauten, einer tollen Plaza und sehr leckerem Eis :-) Dieses
verspeisen wir dann auf eben dieser Plaza. Im Unterschied zu der italienischen
Piazza ist die südamerikanische Plaza mehr ein Park mit viel Grün und oftmals
etwas Wasser. Also der geeignete Ort für die Pause mit dem Glace! Wir besuchen
noch ein Museum, eine schöne Holzkirche mit tollem Kreuzgang, ebenfalls aus
Holz und zum Schluss eine Wein-Kellerei, um für die geplante Asada am Abend
etwas einzukaufen. Und dann geht es zurück nach Hause, wo das besagte Grillfest
ansteht :-)
Vorankommen tut man mit unterschiedlichen Bussen. Es gibt
die kleinen „Micros“, welche oft anhalten, nicht klimatisiert und oftmals gut
gefüllt sind. Und es gibt die grossen und schnellen Reisecars, welche teurer
sind. Für kürzere Strecken sind immer erstere die erste Wahl, für längere
Strecken fährt man mit dem Micro zur Autobahn und steigt da in den grösseren
um. Und so begreife ich nun auch, was mir bei der Anreise passiert ist, nämlich
dass ich für die ganze Fahrt in einen Micro geschickt wurde… Das ganze System
ist privat organisiert und funktioniert gut. Die grossen Busse sind pünktlich
und die kleineren fahren ohnehin in einem guten Takt. Dies auch im Interesse
der Fahrer, denn offensichtlich erhalten diese keinen Lohn, sondern erhalten
wie als selbständige Unternehmer einfach die Einnahmen aus den verkauften Tickets…
Daher fahren sie gerne immer wieder, um so besser verdienen zu können.
Zur Asada sind viele Gäste allen Alters eingeladen, welche
ab 19:00 eintreffen. Die ersten Gäste sind bereits da, doch wir machen uns
nochmal auf ins Zentrum, um einige Dinge nachzukaufen fürs Abendessen. Es ist
ein sehr ungezwungenes Treffen, einige sitzen am Tisch, andere stehen um den
Grill oder in der Küche und wieder andere sitzen in der Stube, um zu sehen wie
Chile Venezuela im Fussball hoch besiegt. Auch die Gastgeber sind noch einmal
aus dem Haus, um weiteres Fleisch zu kaufen, obschon auf dem riesigen Grill schon
kaum mehr Platz ist… Aber hier gilt wie in Argentinien: ein Kilo Fleisch pro
Person muss schon sein. Und so geht der Abend weiter mit vielerlei Plauderei in
immer neuen Runden, und bis schlussendlich zu Tisch gebeten wird, ist es weit
nach 22:00. Doch nun wird aufgetragen! Fleisch in Hülle und Fülle, frisches
Brot, verschiedene Salate und Aufstriche, Wasser, Säfte, Wein. Alles sehr
lecker! Doch es bleibt locker und informell, die ersten beginnen mit dem essen,
andere sind noch am Grill in weitere Diskussionen verstrickt oder noch sonstwie
beschäftigt, etc. etc. Alles etwas chaotisch, aber gemütlich ;-)
Da die Gastmutter Primarlehrerin ist und einige der
Eingeladenen auch, tauschen wir uns auch noch intensiv über die verschiedenen
Schulsysteme aus und ohnehin werde ich mit Fragen überhäuft, wie es mir denn
gefalle, aber alle sind supernett und geben sich alle Mühe, schön langsam zu
sprechen und mein Kauderwelsch zu verstehen, was erfreulich gut klappt. Müde
und sehr sehr satt falle ich schliesslich irgendwann ins Bett.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen