Heute will ich zum Dach Amerikas! Wohlgemerkt, zum Dach, nicht
aufs Dach ;-) Ich buche eine Tour, welche mich ganz nah an und in die Anden
führen soll. Heute ist es eine kleine, brasilianisch dominierte, aber gemischte
Gruppe, die sich auf den Weg weiter nach Westen bis an die chilenische Grenze
macht. Einen Teil der Strasse werde ich morgen auf dem Weg nach Chile wieder
befahren, aber ich wollte die Möglichkeit haben, zu stoppen und spannende
Aussichten auf der Strecke zu geniessen, was im Schnellbus nicht möglich sein
wird. Und ich sollte nicht enttäuscht werden!
Wir fahren nach 7:00 los, um zuerst im Zickzack durch die
ganze Stadt zu fahren, da alle Mitreisenden in ihren Ho(s)tels abgeholt werden.
Dies ist zum einen etwas mühsam, da dies auch gerne eine Stunde dauern kann,
zum anderen komme ich so aber zu einer spannenden Stadtrundfahrt. Ich verfolge
auf dem Natel die Karte und somit die Route, auf welcher wir durch die Stadt
fahren, um all das, was ich sehe, auch verorten zu können. Vielleicht auch
etwas berufsgeschädigt ;-)
Und dann geht es los in Richtung Westen, immer näher heran
an die Anden. Es gibt zwei mehr oder weniger klar definierte Ketten, die da von
der Plattentektonik aufgetürmt werden. Und so gelangen wir zuerst in die „vorgelagerte“,
und hernach in die „principal“e Andenkette. Auf dem Weg dahin sind links und
rechts zuerst weite Felder mit Weinstöcken zu sehen. Durch die Bewässerung und
die vielen Sonnentage gedeihen die Trauben hier bestens. Auch wenn in diesem
Jahr der wassertechnische Notstand ausgerufen werden musste, da es im Winter
viel zu wenig geschneit hat und die Staubecken nur mehr wenig gefüllt sind.
Dies habe ich doch bereits weiter im Norden gehört… Danach wird die Vegetation
spürbar weniger, in den „Voranden“ (ich benutze mal diesen Begriff analog zu
den Voralpen, auch wenn es den wahrscheinlich so nicht geben wird) hat es nur
noch spärliche Vegetation und mit Erreichen des Tales zwischen den Voranden und
der Hauptkette wächst dann fast gar nichts mehr. Wir sind hier im Lee der
Berge, so dass das Wasser in Chile bleibt – was den Argentiniern hier gar nicht
behagt. Seitenhiebe gegen den Nachbarn und über die Malvinas-/Falkland-Inseln
sind an der Tagesordnung. Ersteres hatte ich so noch erwartet, letzteres
überrascht mich doch, insbesondere hier, über tausend Kilometer entfernt von
der Küste.
Doch bei einer Fahrt in die Anden soll nicht die Politik im
Vordergrund stehen, sondern die Landschaft – und die ist atemberaubend! Karge
Bergflanken, die in allen möglichen Farben schimmern, je nach dem welches
Mineral grad gut vertreten ist, dazu verschiedenste Erosionsformen, die aufgrund
der fehlenden Vegetation sehr gut sichtbar sind und dann noch die hohen,
schneebedeckten Gipfel. Alles sehr schön und eindrücklich. Wir gewinnen rasch an
Höhe, liegt Mendoza noch auf 700 Metern über Meer, werden wir bis auf 3200
Meter im letzten Dorf vor der Grenze aufsteigen. Die alte Passstrasse führte
über eine unbefestigte Strasse bis auf die Passhöhe von 4200 Metern, doch im
Jahr 1978 wurde ein Tunnel eröffnet, der Argentinien mit Chile verbindet. Dadurch
wurde die Strasse für LKWs befahrbar, was wiederum den Todesstoss für die Eisenbahn
bedeutete, über welche zuvor der Warentransport abgewickelt wurde. Oft sieht
man noch die Trasse und ich stelle mir vor, wie toll es wäre, diese Strecke mit
dieser Aussicht, mit Tunneln und Brücken, im Zug zu befahren. Es gebe
vielleicht ein Projekt, welches allenfalls im Jahr 2020 spruchreif werde, aber
dies sei eben Argentinien, da könne es auch ein paar Jahrzehnte länger dauern,
so unser Guide… Es sei eine schöne Metapher aufs ganze Land. Und schon bin ich
wieder bei der Politik gelandet… Dies aber auch, weil diese fast in jedem
Gespräch sehr bald zum wichtigen Thema wird.
Wir halten ab und an entlang der Strecke und machen dann Halt
in einem kleinen Skiresort mit drei Liften, welches aber in den letzten vier
Jahren zweimal geschlossen bleiben musste, da der Schnee ausblieb. Es handelt
sich um ein Hotel und einige Wohnungen, die alle im gleichen Stil gebaut sind
und nicht nur deshalb etwas trostlos aussehen, weil es grad Frühling ist. Doch
ein Sessellift fährt und bringt uns auf eine Kuppe, auf welcher wir spazieren
und eine tolle Übersicht geniessen können. Und fast vom Winde verweht werden,
da uns dieser heftig um die Ohren pfeift.
Wir fahren im Anschluss weiter in Richtung Passhöhe und
gelangen in den Nationalpark des Cerro Aconcagua. Dieser könnte während des
grossen Erdbebens in Chile vor ein paar Jahren sogar auf über 7000 Meter
gehoben worden sein, betont unser Guide mehrmals. Und liege ganz in
Argentinien! Nur auf den gefälschten chilenischen Karten sei der Gipfel noch in
Chile zu finden, doch – Subduktion sei Dank – gehöre ihnen dieser gar nicht
mehr! Es erwartet uns eine kleine Wanderung durch eine von Lagunen und Hügeln
geprägte Landschaft, und dann haben wir den direkten Blick auf diesen
eindrücklichen Berg. Wir haben Glück, denn nur wenige Minuten später versteckt
sich der Gipfel hinter den Wolken. Wir fühlen uns dem Berg sehr nah, doch seien
es ca. 48km, die wir vom Gipfel noch entfernt sind. Aber diese Ansicht, dazu
die kleinen Seen und auf der Gegenseite die farbigen Flanken – so was hatte ich
mir von diesem Tag erhofft :-)
Wir fahren dann in den Grenzort, welcher nur noch aus einigen
Gebäuden mit Hostels und Restaurants besteht, da seit der Schliessung der Bahnstrecke
nur mehr selten Halt gemacht wird, um um halb vier Mittag zu essen. Und auf dem
Rückweg wartet mit der Puente de Inca noch ein weiteres Highlight auf uns.
Diese ist eine natürliche Brücke, die von Tropfsteinen überdeckt ist und unter
welcher lange Zeit im Thermalwasser gebadet werden konnte. Doch nach einer
Lawine, welche das dahinter liegende Hotel mitsamt rund 30 Personen
verschüttete, wurde der Betrieb eingestellt. Rund herum werden dafür
verschiedene Gegenstände verkauft, welche nach 30 bis 35 Tagen im Wasser
bereits komplett von Schwefel überwuchert sind. Dies sieht toll aus! Doch
möchte ich meinen Rucksack möglichst nicht weiter füllen im Moment, und so mache
ich einfach ein Fotos hiervon.
Im Anschluss geht es zurück nach Mendoza, um gemütlich in
der Fussgängerzone nochmals ein Bife de Chorizo, eine der Spezialitäten des
Landes, zu verspeisen. Und Ausklingen lasse ich den Abend ich im Innenhof des
Hostels, in welchem es so schön nach Frühling riecht :-)
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