Mittwoch, 15. Oktober 2014

Detroit

Bye bye Canada, so schnell ist mein Besuch auch bereits wieder zu Ende... doch zuvor folgen noch einige Stunden Fahrt durch die Vororte Torontos - zum Glück stadtauswärts, in der Gegenrichtung stauen sich die Autos (fast) ohne Ende - und dann durch Wälder und Felder. Es ist eine schöne und ziemlich unbewohnte Gegend, welche ich aufgrund des geringen Verkehrsaufkommen auch geniessen kann.

Und nach einer Weile kommt die Brücke in Sicht, welche Canada und die USA über den Detroit River verbindet. Auch hier hat es kaum Verkehr und die Zollformalitäten laufen erneut herrlich unkompliziert, so dass ich kurz nach dem Mittag im Hostel ankomme und bereit bin, diese Stadt mit dem schlechten Ruf zu erkunden...

Detroit hat während der letzten Jahrzehnte vor allem mit Entvölkerung, leeren Häusern, finanziellen Problemen und Kriminalität von sich reden gemacht, weshalb mich auch unterwegs alle fragten, was ich denn da wolle... naja, genau all das sehen - ausser natürlich die Kriminalität. Die sehe ich auch nur indirekt, ich fühle mich meist sicher. Aber Beispiele hierfür sind hohe Zäune, Kioske und sogar Subway-Shops, bei welchen alles nur durch die Scheibe verkauft wird und allgemein wenig Menschen auf den Strassen.

Die Stadt war und ist das Zentrum der amerikanischen Autoindustrie und prosperierte während vieler Jahrzehnte. Eindrückliche Bauten zeugen vom Glanz dieser Zeit. Aufwändige und schöne Hochhäuser, Theater und neue Stadträume wurden gebaut und auch mit Leben gefüllt. Zur Hochzeit zählte die Stadt rund zwei Millionen Menschen. Heute sind es noch rund 700'000. Sie kann als Anschauungsbeispiel dienen, was alles schief laufen kann... Sie ist zum einen ein Paradebeispiel einer A-Stadt. Alle Nicht-Geographen und -Schüler sollen mal Google fragen ;-)

Die Vororte sind auch heute noch in einem guten Zustand, die anhaltende Krise betrifft fast nur das Stadtgebiet. Verschärfend kam die Krise der Autoindustrie und die anhaltende Segregation hinzu, so dass grosse Armut und Arbeitslosigkeit herrsch(t)en und somit die Stadt auch kaum mehr finanzielle hat(te). Dies zeigt sich heute vielerorts. Zum einen ist das Parkplatzangebot unendlich. Viele Brachflächen im Zentrum dienen als Parkplätze und können nicht anders in Wert gesetzt werden. So kann für 3 Dollar ein ganzer Tag im Zentrum parkiert werden...

Zum anderen finden sich viele der alten Bauten in einem schlechten Zustand und stehen auch oft leer, was den Zerfall weiter beschleunigt. Ein altes Theater wurde gar zu einer Parkgarage umfunktioniert... Das ganze hat einen gewissen morbiden Charme, Hausbesetzer könnten hier ais dem vollen schöpfen...

Doch seit einigen Jahren versucht die Stadt und ein Milliardär, Downtown neues Leben einzuhauchen. Es werden Häuser renoviert und neu gebaut, eine Monorail wurde installiert und Sportstadien gebaut, um (die) Menschen zurück in die City zu bringen. Einiges sieht schon vielversprechend aus, doch ist die Masse an Leerstand und mittlerweile schlechter Bausubstanz so gross, dass es nicht einfach werden dürfte... Der Investor versucht, einige Projekte gleichzeitig zu realisieren, da nur so eine neue Atmosphäre geschaffen werden kann, welche zu weiterem Aufbruch anregt. Doch auch in den öffentlichen Raum wurde investiert, um die Stadt lebenswerter zu machen, zum Beispiel in einen Park im Zentrum, einen Riverwalk und ein Eisfeld im Winter. Dies wurde schön umgesetzt, doch zu Zeit sind all die Plätze gespenstisch leer... Das ganze wird mir von einem sehr engagierten und symphatischen Guide erzählt, welcher in den Chancen und Superlativen schwelgt, welche die Stadt biete: das höchste Hotel zum Beispiel, oder die erfolgreichen Sportclubs. Und er leidet sichtlich darunter, dass die Stadt nicht für solches gewürdigt wird, sondern immer wieder die Probleme beschrieben werden.

Dies ist die Situation Downtown. Wenn man aus dieser in die Stadtrandgebiete kommt, sieht es auch nicht besser aus. Hier stehen ganze Häuserzeilen leer oder stehen einzelne Häuser schon gar nicht mehr. Da hat die Finanzkrise vielen noch den Rest gegeben... Aber es gibt auch Fälle, wo komplett heruntergekommene Häuser neben gut instandgehaltenen Mittelklasse-Heimen stehen. Und all dies betrifft nicht einfach nur ein Quartier, sondern ich bin durch beliebige Quartiere gefahren und habe immer wieder die selben Bilder gesehen. Dies hat etwas surreales an sich... Auch mein Hostel ist in einer solchen Gegend. Auch dieses Haus hat schon bessere Zeiten gesehen, aber es ist eine aufgeräumte und fröhliche Stimmung spürbar, sowohl bei den Angestellten als auch bei den Besuchern, die ja bewusst eine solche Bleibe gesucht haben.

Auf einigen der frei gewordenen Flächen wird bereits Landwirtschaft getrieben und auch verschiedene Künstler nutzen die Freiräume oder die nicht mehr genutzten Häuser für ihre Projekte. Beides könnten Chancen für eine künftige Entwicklung sein, aber auch da wird es nicht einfach, diese schiere Menge an Räumen zu bespielen. Die Bevölkerung, die noch da wohnt, ist grösstenteils arm, was sich auch in den Läden zeigt. Hier werden Zigaretten einzeln verkauft und ist das Geld immer ein Thema. Ich bin abends und tagsüber in den kleinen Läden unterwegs und werde interessiert, kritisch und auch etwas ungläubig gemustert. Woher kommst Du? Und was machst Du denn hier??

Aber ich möchte diesen Besuch auf keinen Fall missen, auch wenn ich mich schon auch ab und an komisch fühle. Aber es ist sehr eindrücklich, diese Stadt zu sehen und zu erleben. All diese Bilder und Erlebnisse haben einen bleibenden Eindruck.

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