Samstag, 20. September 2014

Hermanus & Stellenbosch

Meine heutige Tagestour soll mich in den Osten führen. Das erste Ziel ist die Küstenstrasse nach Hermanus. Die Fahrt auf der Autobahn aus der Stadt zeigt mir deutlich, wie gross die Stadt ist, und vor allem, wie viele Townships diese Stadt neben den schönen Innenstadt-Gebieten auch aufweist... Diese erstrecken sich bis 30 Kilometer der Autobahn entlang. Und da die Autobahn die direkteste Verbindung in die Stadt ist, finden sich auch viele Fussgänger neben oder auch auf der Strasse...! Da muss ich mich erst dran gewöhnen.

Dabei wird mir auch sehr klar, dass der Städtebau der Apartheid bis heute deutlich spürbare Nachwirkungen hat. Politik, die in Beton gegossen wird, überdauert länger... Das Ziel war, die Städte "weiss" zu halten, "schwarze" durften nur zur Arbeit in die Stadt und solche, die keine Stelle hatten, mussten eine schriftliche Erlaubnis zum Betreten der Stadt beantragen. Die ganze Bevölkerung wurde in vier Kategorien eingeteilt: "whites", "coloureds", "asian/indian", "blacks". In dieser Reihenfolge hatten die unterschiedlichen Gruppen abnehmende Rechte. Da dies die Basis für das soeben und in der Folge beschriebene ist, werde ich diese Begrifflichkeiten auch für die Beschreibung verwenden.

Da die Schwarzen als Arbeitskräfte benötigt wurden, diese aber nicht in der Stadt leben durften, fand eine gewaltige Welle von Umsiedlungen in neu gebaute, dürftig ausgestattete Townships statt. Soweto in Johannesburg, über welches ich vor einigen Wochen geschrieben hatte, war die grösste dieser Townships. Ähnliche Gebiete wurden für die Farbigen und die Indians geschaffen. Obschon das Land seit 1994, also seit 20 Jahren eine funktionierende Demokratie mit gleichen Rechten für alle ist, leben die Bevölkerungsgruppen auch heute noch stark segregiert. Es ist zwar so, dass sich wohlhabendere Schwarze mittlerweile in ehemals rein weisse Quartiere einkaufen, doch die ehemaligen Townships sind noch weitgehend unverändert. Weisse, welche wirtschaftliche Probleme haben, suchen ihr Glück oftmals in anderen Ländern, vor allem in Australien und Neuseeland.

Dies hat zur Folge, dass in vielen Städten - JoBurg einmal ausgenommen - das Stadtbild von überproportional vielen Weissen und besser gestellten Schwarzen dominiert wird. Jedoch arbeiten in den meisten Läden und Restaurants Schwarze. Dazu kommen noch Bettler u.ä. Dies lässt den Besucher glauben, in der "ersten" Welt zu sein, doch der HDI spricht eine andere Sprache. Und sobald man sich eben die Dimension der für die meisten Touristen unsichtbaren Wohngebiete der Schwarzen vor Augen führt, erklärt dies so einiges...

Doch wie gesagt, dies bleibt meistens im nicht oder wenig sichtbaren Bereich, und so ist es auch bei meinen Tagen in der Stadt... Daher zurück zum Tag. Nach dem Durchfahren der letzten Ausläufer der Stadt zweige ich nach rechts ab, um ans Meer zu gelangen. Es gibt zwei Möglichkeiten, weiter nach Osten zu gelangen. Über den Berg, oder darum herum. Die Küstenstrasse führt mehr oder weniger darum herum und bietet tolle Ausblicke. In den schroffen Fels am Meer gehauen, führt sie der Küste entlang immer weiter. Die Gegend ist von einigen kleinen Dörfern an Buchten weitgehend unbewohnt und wiederum von karger Schönheit. Erste Blumen blühen und bereichern die ohnehin schon vielfältigen Farben noch weiter. Das Wetter ist immer noch wechselhaft, doch scheint sich der Himmel doch mehr und mehr aufzuhellen. Fürs Wochenende ist dann ohnehin Sonne angesagt, ich bin optimistisch :-)

Schliesslich erreiche ich Hermanus, eine kleine Hafenstadt, die sich rühmt, der beste Ort zu sein, um Wale vom Land aus zu beobachten. Es gibt sogar einen "Whale Crier", der sich bemerkbar macht, wenn Wale zu sehen sind. Und so sind es einige, die sich da treffen - sowohl Wale als auch Touristen! Auch die Küstenlinie ist sehr schön, so dass ich mir eine Bank schnappe und abwechselnd Wale oder Touristen beobachte oder einfach nur die Aussicht geniesse.

Der Heimweg führt mich über Stellenbosch. Dies ist eine der ältesten Städte des Landes und heute vor allem als Universitätsstadt im ganzen Land bekannt. Beides zeigt sich auch im Stadtbild. Zum einen sind einige schöne alte Gebäude zu sehen und zum anderen sind viele Studierende in den Strassen unterwegs. Diese beiden Zutaten führen dann auch zu einer Vielzahl von Cafés und Bars in schönem Ambiente. So schlendere ich durch die Strassen und finde dann auch ein sehr nettes Café für Tee und Kuchen ;-) Die Gegend um Stellenbosch ist als Weingegend berühmt und sehr schön. Doch leider ist der September auf der südlichen Halbkugel weniger ideal für Fahrten durch die Weinberge als bei uns.

Kurz vor Sonnenuntergang fahre ich zurück nach Cape Town und sehe nun die ganze Schönheit der Stadt und Umgebung vor meinen Augen. Leider ist es nicht wirklich möglich, Fotos zu machen während man auf der Autobahn fährt und so versuche ich einfach, möglichst viele dieser Eindrücke abzuspeichern. Die tiefe Sonne lässt alles goldig schimmern und seit langem zeigt sich auch der Tafelberg wieder einmal unverhüllt :-)

Ausklingen lasse ich den Abend in der Long Street, dieser Strasse mit Kolonialbauten, welche viele tolle Restaurants und Bars beherbergt. Die Gegend war bis vor noch nicht allzu langer Zeit eher berüchtigt als berühmt, aber Gentrifizierung findet nicht nur in Zürich statt ;-) Auf einer Terasse mit Blick auf die Strasse und den Tafelberg geniesse ich mein Abendessen um mir anschliessend im gemütlichen Backpacker noch eine "Night Cap" zu genehmigen.


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