Sonntag, 26. Februar 2023

22.2. – Antarktis – Citizen Science in Paradise Harbour, Post Office in Port Lockroy und Pinguine in Jougla Point

Wir fahren am frühen Morgen in der Paradise Bay ein – und der Name weckt ja doch schon einige Erwartungen :-) Welche abermals übertroffen werden. So allmählich gehen mir die Superlative aus, aber die Szenerie hier ist unbeschreiblich. Obgleich sich die Eindrücke ähneln, behalten sie ihre Intensität bei. Ich bin gespannt, wie lange es dauert, bis sich ein Gewöhnungseffekt einstellen würde. Insbesondere die Eisberge und -formationen und die Pinguine begeistern mich jedes einzelne Mal aufs Neue! Nach dem Frühstück geht’s wieder in die Zodiacs. Ich habe mich für die Citizen Science angemeldet. So fahren wir als erste Gruppe weiter hinein in die Bucht und nehmen da unterschiedlichste Proben. Zum einen messen wir die Wassertemperatur und Salinität in eine Tiefe bis 70 Meter und schauen, wie weit in die Tiefe wir sehen können. Dies ist ein Indikator fürs Phytoplankton, welches eine elementare Rolle in der Nahrungskette vor Ort und in der Sauerstoffproduktion weltweit spielt. Durch die Erwärmung der Gegend schmelzen die Gletscher auch hier und bringen so mehr Süsswasser in die umliegenden Gewässer. So soll untersucht werden, wie sich dies auf das Phytoplankton auswirkt. Dieses sammeln wir dann auch gleich selbst in einem grossen Filter. Diese Daten, zusammen mit weiteren Wasserproben werden dann an eine Universität geschickt und dienen einem grösseren Forschungsprojekt. All dies ist aufregend – dazu wir befinden uns im schönsten Schulzimmer der Welt! Um uns herum liegt das Wasser der Bucht völlig still und bildet einen Spiegel für eine absolut spektakuläre Kulisse :-) Und all dies bei abermals aufkommendem Sonnenschein. Ich wage mein Glück kaum zu fassen. Wir haben verschiedenste Eisberge und Gletscher um uns, wovon letztere mehrfach direkt vor unseren Augen kalben. Und immer wieder springen Pinguine vorbei und zu guter Letzt begegnen wir auch noch einem Buckelwal in unmittelbarer Nähe. Auf die Gefahr hin, dass die Erläuterungen sich langsam sehr ähneln – ich bin völlig hin und weg von all diesen Eindrücken. Gegen Mittag gibt’s dann die Möglichkeit für den «Polar Plunge», das heisst, dass wir ins kalte Wasser springen können. Viele machen von dieser Möglichkeit Gebrauch – ich bleibe jedoch in der Rolle des Zuschauers. Ich bin bereits leicht erkältet von dem ständigen Temperaturwechsel und der Klimaanlage im Zimmer und möchte jede mögliche Energie für die kommenden Tage sparen. Aber es ist eine grosse Gaudi für alle Involvierten. Dann wäre eigentlich Zeit gedacht gewesen, um etwas auszuruhen und zu essen. Bis auf einmal alle ganz aufgeregt sind, da Orcas gesichtet wurden. Und so renne ich auch aufs Deck – und tatsächlich, mehrere Killerwale sind um uns herum und springen zum Teil sehr nahe von uns aus dem Wasser – wow! Diese jagen meist in Gruppen und haben ausgefeilte Taktiken, um an ihre Beute zu gelangen. So zum Beispiel folgende: Wenn sie eine Robbe auf einer Eisscholle entdecken, dann machen sie als Gruppe möglichst viele Wellen – so dass die Eisscholle mehr und mehr ins Wanken gerät und die Robbe schlussendlich runtergespült wird. Und die Orcas sind dann bereit für ihr Essen… Dafür wird’s im Anschluss etwas ruhiger als ursprünglich geplant. Das Wetter hat komplett umgeschlagen und so tobt auf einmal ein Schneesturm draussen. Dies bedeutet, dass heute kein Kayaking stattfinden wird. Und dass sich auch der Rest des Programmes erst mal verzögern wird. Wir erhalten dafür eine ausführlichere Einführung zu dem, was wir im Anschluss sehen werden. Zum einen besuchen wir Port Lockroy, das ist eine kleine Station der Briten, welche auch als Postbüro funktioniert. Ursprünglich war dies eine Basis der Briten, die aber mittlerweile zu einem Museum umfunktioniert wurde um zu zeigen, wie eine solche Station zur Mitte des letzten Jahrhunderts ausgesehen hat. Hier sind jeweils für ein knappes halbes Jahr sechs Personen stationiert, die zum einen dieses Postbüro und das Museum betreiben und zum anderen die Pinguine, von denen es mehrere hundert auf dieser fussballplatzgrossen Insel hat, studieren. Zwei von unserer Polar Latitudes Crew haben hier je mehrere Sommer verbracht – und in einem Fall ist daraus eine ausgezeichnete Dokumentation über Pinguine entstanden. Dazu später mehr. Ohnehin ist bei allen Guides eine spürbare Passion für diesen Ort spürbar, viele waren bereits für mehrere Monate für Forschungsaufenthalte hier. Die eigentliche Ausbildung ist ein eigener Lehrgang als Polar Guide – daher sind viele im Sommer jeweils in der Arktis tätig. Und so ergänzen sich für mehrere die Passion und der Beruf, was für uns als Teilnehmende natürlich ideal ist. So können auch unzählige Fragen beantwortet werden oder erhalten wir Inputs in Form von Informationsveranstaltungen oder den weiter oben beschriebenen Vorlesungen. Viele der Guides sind jeweils für eine halbe oder ganze Saisons bei einem Anbieter dabei. So sind sie dann jeweils für eine Saison im Nordsommer in der Arktis und im Südsommer in der Antarktis angestellt und haben in der kurzen Zeit dazwischen etwas Ferien oder Ruhe. Aber die Tage für die Guides sind lang und auch intensiv. Obgleich wir erst wenige Tage wirklich vor Ort sind, fühlt es sich aufgrund der intensiven Erlebnisse bereits so an, als ob wir schon viel länger hier wären. Wir sind hier meistens zweimal für eine längere Zeit draussen – und erleben dann wie beschrieben so viel, dass eine Exkursion pro Tag bereits gut genügen würde. Aber ich nehme gerne mehr :-) Und diese Erlebnisse führen auch zu einer sehr schönen und fast schon enthusiastischen Stimmung an Bord. Die Gruppengrösse ist hierzu übersichtlich genug, so dass ein Überblick über (fast) alle Passagiere möglich ist und so dass ich mich auch mit fast allen schon mehrmals unterhalten habe. Da immer nur maximal zehn Personen in einem Zodiac sein können, wurden wir zu Beginn in vier Gruppen aufgeteilt, welche immer wieder rotierend als erste an Land gehen. Aber es reicht ohnehin immer für alle und wir haben bis anhin auch überall genügend Zeit gehabt, da die Organisation wirklich sehr gut klappt. Ich hätte es an verschiedenen Orten selbstredend auch länger ausgehalten, aber ich habe mich nie gestresst gefühlt. Sodeli, aber ich wollte ja noch erzählen/schreiben, was denn nun am Nachmittag das Programm war. Denn für diese Landung bin ich in der letzten Gruppe, so dass wir erst nach 17.00 losfahren. Wir fahren also mit den Zodiacs zu der besagten Station. Auf dieser nur einige Minuten dauernden Fahrt erleben wir, dass die Antarktis wettermässig durchaus auch anders kann, als was wir zuletzt erleben durften. Wir werden heftig durchgeschüttelt und werden auch von vielen Wellen ordentlich nassgespritzt – aber auch dies ist sehr aufregend! Das Museum ist nett – aber vielmehr interessieren mich all die Pinguine drum herum, welche in nächster Nähe um mich herum zu finden sind. Es ist auch einfach spannend, für einigen Minuten regungslos stehen zu bleiben und die Pinguine in ihrem Tun zu beobachten. Obschon ich mich doch immer mal wieder bewege, um Fotos oder Videos zu machen :-) Nach einiger Zeit hier geht’s dann per Boot zu einer Nachbarinsel namens Jougla Point. Hier findet sich eine weitere Kolonie von Pinguinen, und dazu viele Knochen von Walen. Diese sind eindrücklich, aber vielmehr interessieren mich wieder die hier lebenden Gentoo Pinguine (für alle Biolog*innen: pygoscelis paua). Diese sind die drittgrössten Pinguine die es gibt, mit einer Grösse von rund 51 – 90cm. So könnt Ihr Euch unter den Fotos etwas mehr vorstellen. Besonders gefallen mir hier diejenigen, die von einem zum nächsten Stein hopsen. Und so ungeschickt dies alles aussieht – so schnell sind sie unterwegs! Die meisten der Pinguine haben jeweils zwei Junge, welche es zu wärmen und füttern gilt. Und ich kann mehrfach beobachten, wie eine «Übergabe» der Jungen stattfindet, wenn der eine Elternteil nach einigen Stunden die Position übergibt, damit das andere Elternteil das wärmen übernimmt – um selbst nach Futter zu suchen. Die Fütterung der Jungen findet dann von Schnabel zu Schnabel statt, was auf einem Foto zu sehen ist. Pinguine sind dabei bis zu 450mal pro Tag unterwegs und nehmen bis zu einem halben Kilo Futter zu sich… So bleibe ich auch hier gerne einfach stehen und beobachte, was um mich herum passiert. Und da es so viele Pinguine hat passiert immer etwas :-) Es gibt die Regel, dass wir nicht näher als fünf Meter an die Pinguine herangehen. Aber die Pinguine kennen diese Regel nicht… So bleibe ich jeweils einfach stehen und die Pinguine watscheln fast in mich hinein – aber dann um mich herum auf dem Weg zu ihrem Ziel. Und währenddessen kalbt ein wunderschön blauer Gletscher – «out of the blue». Und zwar sehr heftig. Und ich springe wie ein kleines Kind auf und ab, es ist so toll, dies erleben zu dürfen! Irgendwann heisst es dann aber doch, zurück zum Schiff zu fahren… Die Crew macht wirklich alles ihr mögliche, um uns trotz Wetterkapriolen möglichst viel zu ermöglichen. Daher verschiebt sich heute das tägliche «Recap and Briefing» auf nach dem Abendessen. Hier wird jeden Abend zum einen das wichtigste des Tages zusammengefasst und eingeordnet und mit zusätzlichen Informationen angereichert und dazu eine Übersicht über den folgenden Tag gegeben. Dies machen sie wirklich toll. Da wir so viele Expert*innen zu unterschiedlichsten Themen an Bord haben, ist diese thematische Vertiefung von Erlebtem ein wirklicher Gewinn und sehr aufschlussreich. Im Normalfall findet dies jeweils kurz vor dem Abendessen statt. Aber heute wird es 21.15, bis dies möglich sein wird, da alle bis kurz vor diesem Moment im Einsatz waren. Daher komme ich heute auch erst etwas später selbst ins Bett – aber jänu… Dafür können wir noch die besagte Doku «Penguin Post Office» sehen, welche sehr sehenswert ist :-) Es gibt hier so viel zu sehen und zu erleben – und wir befahren dabei nur einen kleinen Teil der antarktischen Halbinsel. Aber all das Eis überall, all die Formen, die unfassbaren Ausmasse – all dies lässt grad so knapp erahnen, was es hier noch alles sonst zu entdecken gäbe…

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