Sonntag, 26. Februar 2023

18.2. – in der Drake Passage – viele interessante Informationen

Heute erwache ich in der berüchtigten Drake Passage – und das Schiff schwankt auch tatsächlich ziemlich… Aber bis anhin geht’s mir noch bestens, ich hoffe mal, dass dies so bleibt! Das Frühstück bildet ein schönes Buffet, bei welchem die Herausforderung einfach darin besteht, nichts vom Teller fallen zu lassen – die Grundregel auf dem Schiff ist, dass eine Hand stets Halt sucht, was mit einem Teller in der Hand doch schwieriger wird. Danach beginnen schon die Vorträge, auf welche ich mich sehr freue. Zu Beginn ist das Auditorium nur halb gefüllt, es geht glaub leider einigen etwas weniger gut als mir. Auch mein Mitbewohner schafft es heute nie wirklich aus dem Bett, die Seekrankheit hat ihn ziemlich im Griff. Der erste Vortrag handelt vom Projekt «Citizen Science». Die Idee dahinter ist, dass die Öffentlichkeit dazu beiträgt, Daten zu sammeln, welche in der Wissenschaft ausgewertet werden können. Daneben soll es auch um eine bessere Wahrnehmung gehen. Solche Datensammlungen finden an unterschiedlichen Orten statt. Aber gerade an einem Ort wie der Antarktis, welche so schwer zugänglich ist, können die zusätzlichen Daten aus Touristenhand wertvolle Daten liefern. Ein Beispiel für einen Erfolg dieses Projekts ist, dass eine «Whale Slow Down Zone» eingerichtet werden konnte. Dies bedeutet, dass in der Region der antarktischen Halbinsel eine Zone eingerichtet wurde, in welcher die Schiffe nur mehr sehr langsam unterwegs sein dürfen, da sich dort viele Wale aufhalten. So können Zusammenstösse besser verhindert werden. Oder www.Happywhale.com. Dies ist ein Foto-ID-Programm für Wale. Dieses benötigt einzig ein Foto der Walflosse («Fluke»). Diese ist bei jedem Wal anders gemustert, vergleichbar unseren Fingern, so dass ein Foto der Flosse gleich wie ein Fingerabdruck dienen kann. Wenn nun möglichst viele Personen Fotos von Walflossen hochladen, können einzelne Wale auf ihren Wegen verfolgt werden. Und sollte ein Wal neu «entdeckt» werden, darf diejenige Person dem Tier einen Namen geben. Mittlerweile sind alleine vom antarktischen Buckelwal über 2200 Tiere registriert. Auf der Website hat es zudem auch viele interessante Fakten, z.B. dass der längste Weg eines Wals, der via Fotos dokumentiert wurde, bei 10922km liegt, von Tonga in die Antarktis und von da weiter nach Panama. Auch für Seevögel gibt es ähnliche Programme. Über diese ist relativ viel bekannt, was das Nisten und Aufziehen von Jungvögeln betrifft, aber nur wenig darüber, was in der Luft passiert. Dabei passiert da sehr viel, z.B. gibt es Exemplare von Albatrossen, welche über 9 Jahre in der Luft sind, ohne dazwischen jemals an Land zu kommen! Anhand der Seevögel können auch Veränderungen in der antarktischen Konvergenzzone nachverfolgt werden. In dieser Zone kommen verschiedene Strömungen zusammen und diese bringen unfassbare Mengen an Krill mit sich – die grundlegende Essensressource für (fast) alle Tiere in der Nähe. Solange diese «normal» vorhanden sind, sind auch all die Vögel da. Sollten letztere ausbleiben, dient dies als wichtiges Zeichen für Veränderungen. eBird (https://ebird.com) ist hierfür ein gutes Programm, welches auch auf dem Schiff unterstützt wird. Jeden Tag wird es ein Zeitfenster geben, in welchem möglichst viele der Passagiere Daten sammeln können. Ich bin gespannt drauf! Und dann werden in einem NASA-Projekt Wolken untersucht. Fotos von unten sollen die Satellitenbilder ergänzen, welche nur Übersichten von oben geben können. Zusätzlich ist es in der Region der Antarktis ein Problem, dass z.T. Wolken nicht von Eis und Schnee unterschieden werden können. Dies funktioniert dann mit der GLOBE Cloud Observer App. Die Fotos werden dann genau zu dem Zeitpunkt aufgenommen, in welchem der Satellit über uns fliegt. So können Eindrücke von oben und unten gleichzeitig abgeglichen werden. Weiter gibt es ein Projekt zum Phytoplankton – www.fjordphyto.com. Die antarktische Halbinsel ist eine der Regionen weltweit, welche sich am schnellsten erwärmt. Daher fliesst mehr Süsswasser ins umliegende Meer und beeinflusst so auch das Phytoplankton und in der Folge den Krill, welcher sich davon ernährt. Und mit dem Krill sind dann wie oben erwähnt viele weitere Arten betroffen. Für diese Datensammlung werden Wasserproben genommen, welche in der Folge ausgewertet werden. Auf dem Schiff hat es auch ein Labor, in welchem das Wasser analysiert werden kann, sowohl für das erwähnte Programm, als auch für weitere eigene Projekte der Guides. Kurz darauf folgen weitere Informationen zum Thema: «Seabirds of the Southern Ocean». Dies sind Vögel, welche in, bei und vom Ozean leben. Daher sehen sie auch so aus, dass sie diesen Lebensraum bestmöglich nutzen können. Aus diesem Grund gibt es auch die Situation, dass an unterschiedlichen Orten nicht verwandte Arten sehr ähnlich aussehen können – so z.B. der mittlerweile ausgestorbene «Great Auk» im Norden und Pinguine im Süden. Man spricht dabei von einer so genannten «Convergent Evolution». Der grösste der Vögel, welche hier gesichtet werden können, ist der «Wandering Albatross», mit ca. 3.5 Metern Spannweite und 9kg Gewicht. Das ist derjenige, welcher für neun Jahre in der Luft bleiben kann (vgl. oben). Dazu gibt’s dann aber auch eine Vielzahl von kleineren Vögeln. Dabei hat es einige Zugvögel, welche von einer zur anderen polaren Region ziehen. Der «Arctic Tern» (Sterna paradisaea) ist ein Beispiel hierfür, er brütet im Norden und fliegt dann für den Sommer in die Antarktis. Diese Art gleitet nicht, sondern fliegt aktiv und braucht dementsprechend viel Energie. So werden unterschiedliche Vögel vorgestellt mit ihren speziellen Eigenschaften und Lebensweisen. Insbesondere diese langen Reisen sind sehr beeindruckend. Ein Protein in der Retina ermöglicht es diesen Zugvögeln, die UV-Strahlung des Magnetfelds der Erde zu sehen – und so können sie sich an diesem orientieren. Der Albatros hingegen kann mit einem speziell ausgebildeten Geruchssystem Gase erschnüffeln, welche von Beutetieren ausgestossen werden. Ebenso können damit Windgeschwindigkeiten gemessen werden. Damit ist es ihnen möglich, ideal zu gleiten. Denn aktiv fliegen können sie nur schlecht, aber als Gleiter können sie tagelang in der Luft sein fast ohne Energieverbrauch. Dazu beginnen sie nur wenig über der Wasseroberfläche, dann wenden sie etwas Energie auf, um ca. 10 Meter in die Höhe zu gelangen. Und mit dieser Energie können sie dann die Winde ideal ausnutzen und kilometerweit gleiten. Die Albatrosse fliegen dabei immer wieder um die Antarktis, in ca. 50° südlicher Breite. Die erwähnte antarktische Konvergenzzone ist hierfür relevant, denn dieses nährstoffreiche Auftriebswasser ist das Ziel. Für alle Beutetiere muss dabei nicht unbedingt der Krill selbst das Ziel sein, es dürfen auch andere Tiere sein, welche den Krill suchen. Die Anpassungen, welche verschiedene der Seevögel machen können, um sich ideal fortzubewegen oder auf Beutezug zu gehen, sind beeindruckend. Ich gehe hier aber nicht auf alle Beispiele ein. Nur eines soll erläutert werden. Kaiserpinguine können bis zu 500 Meter in die Tiefe tauchen und da bis zu 22 Minuten bleiben. Zum einen können sie hierzu die Pupille verändern, um auch unter Wasser scharf zu sehen. Zum anderen haben sie einen Ruhepuls, ähnlich dem unseren, von ca. 50 – 60 Schlägen pro Minute. Bevor sie abtauchen, erhöhen sie diesen auf bis zu 200 Schläge und können so einen Sauerstoffvorrat erarbeiten. Dann geht’s in die Tiefe, dabei verlangsamt sich der Pulsschlag wieder. Nach diesem langen Tauchgang zurück an der Oberfläche, erhöht er sich wieder auf gut 200 Schläge, um wieder viel Sauerstoff aufzunehmen – und danach geht’s dann zurück in den Ruhemodus. Am Nachmittag gibt’s dann die ersten Informationen zum Kayakfahren. Hier sind wir total 30 Personen, welche in zwei Gruppen aufgeteilt werden. Hier gilt umso mehr, dass ich mich riesig darauf freue, aber auch seeehr nervös bin… Der nächste Vortrag behandelt die menschliche Geschichte in der Antarktis. Diese startete erst sehr spät, da hier nie eine indigene Bevölkerung lebte und die Gegend nur sehr schwer zugänglich ist. Der Name «Antarktis» bedeutet so viel wie «keine Bären» und kommt aus dem Griechischen (Arktos steht für den Bären). Damit sind aber nicht die Eisbären gemeint, sondern die Sternbilder des grossen und kleinen Bären – welche als Sternbilder des Nordhimmels hier nicht zu sehen sind. Lange bevor wir wirklich wussten, dass es die Antarktis tatsächlich gibt, existierte der grosse Südkontinent – als Balance zu den grossen Landmassen im Norden – bereits in den Vorstellungen der Menschen als «Terra Australis Incognita». Schlussendlich wurde die Antarktis dann tatsächlich gefunden – aber deutlich weiter im Süden als ursprünglich angenommen. Im Jahr 1520 fand Magellan die nach ihm benannte Strasse. Er sah dabei noch Land etwas weiter im Süden und dachte bereits, dass er die Antarktis gefunden habe. Dabei handelte es sich aber nur um die Insel Feuerland. Dies wurde dann von Sir Francis Drake belegt, da er im Jahr 1578 um das Kap Horn getrieben wurde. Dafür bekam diese Passage ihren Namen von ihm. James Cook umsegelte dann in den Jahren 1772 bis 1775 die Antarktis und war wohl der erste, welcher den südlichen Polarkreis erreichte. Dabei erreichte er aber die Antarktis nie, das Eis war stets im Weg. Hingegen erreichte er die Insel Südgeorgien und dachte dabei, dass er die Antarktis gefunden habe. Doch beim Umsegeln der kleinen Insel merkte er, dass dies doch nicht der grosse Südkontinent sein könne. Daher benannte er das Südende als «Cape Disappointment». In der Folge kamen weitere Schiffe in die Gegend, oftmals jedoch vor allem für die Jagd von Seelöwen und weiteren Tieren. Diese führten nicht Tagebuch, da sie Konkurrenz fürchteten. Aber auch weitere Expeditionsschiffe wurden immer wieder losgeschickt. Und so kamen diese dem Kontinent immer näher, bis im Jahr 1820 tatsächlich die Antarktis gesichtet wurde. In der Folge änderten sich die Ziele der Entdecker – nun ging es darum, den Südpol zu erreichen. Auch hier gibt es eine lange Geschichte von Expeditionen, welche zwar immer wieder etwas Neues entdecken konnten, aber am eigentlichen Ziel scheiterten. Daraufhin wurde es etwas ruhiger, und erst ab 1895 gewann das Ziel neuerlich an Bedeutung. Um 1898 war Adrien de Gerlache der erste, der auf dem Kontinent unterwegs war, Fotos gemacht und vor Ort überwintert hat. Bereits dabei waren die beiden Entdecker Amundsen und Scott, welche später selbst Expeditionen leiten sollten. Die Zeit von 1898 bis 1922 wird «Heroic Age» benannt, mit vielen wichtigen Entdeckungen und Kartierungen, ebenso wie mit wissenschaftlichen Untersuchungen. Dabei entdeckte die Nimrod Expedition den magnetischen und 1911 Amundsen den geografischen Südpol. Ab 1928 folgte das technologische Zeitalter, in welchem Flugzeuge genutzt wurden für die weiteren Erkundungen. So wurde eine bessere Erkundung möglich. Aber bis heute gibt es viele Orte in der Antarktis, an welchem noch nie ein Mensch gewesen ist! Es gibt heute historisch begründete Ansprüche auf die Antarktis, zum Beispiel aus Grossbritannien oder Norwegen und zum anderen Ansprüche von den Staaten, welche dem Kontinent am nächsten kommen, wie Chile, Argentinien, Australien oder Neuseeland. All diese Ansprüche sind zum Teil überlappend. Für den Moment spielt dies aber keine grosse Rolle, da im Jahr 1959 das antarktische Abkommen unterschrieben wurde. Dieses besagt, dass alle territorialen Ansprüche eingefroren werden. Mittlerweile gibt es über 30 dauernd bewohnte Forschungsstationen unterschiedlicher Nationen, welche auch zusammenarbeiten. Aber diese können auch wichtig sein für das Jahr 2048. In dem Jahr soll hoffentlich ein Nachfolgeabkommen unterschrieben werden, das den weitergehenden Schutz der Region festlegt. Sollte dies nicht gelingen, werden diese Stationen auf einmal wichtig für die unterschiedlichen Ansprüche. Die letzte Weiterbildung für heute bildet dann der Vortrag über die Wale in der Antarktis. Diese Informationen folgen von der fast einzigen Person, mit welcher ich mich in Mundart unterhalten kann. Sie wohnt in Kloten und leitet seit vielen Jahren solche Touren in die Antarktis und in die arktische Region. Ihr Mann ist Schwede, wohnt aber mit ihr zusammen in der Schweiz, so dass ich etwas später merke, dass ich mich auch mit ihm so unterhalten kann :-) Wale haben eine ähnliche Körpertemperatur wie wir, ca. 36 Grad. Sie stammen von Landsäugetieren ab. Dies ist heute noch zu erkennen daran, dass die Schwanzflosse nach oben und unten ausschlägt, währenddem sich diese bei Fischen seitwärts bewegt. Diese enthält auch keine Knochen, analog zum Schwanz des Landtiers. Aus diesem Landtier entwickelte sich durch die Zeit und im Zuge der Evolution zuerst ein Tier mit nur noch kurzen Beinen, welches sich schon im Wasser bewegte – und weiter entwickelte sich daraus dann der Wal. Die Informationsdichte ist gross, so dass diese Vorträge sehr spannend sind. Anbei sind einfach einige Punkte daraus ausgeführt, ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit. Die dicke Fettschicht der Wale hilft zum einen bei der Isolation, dient jedoch auch als Energiespeicher. Die Schwangerschaft dauert 10 bis 15 Monate, daher gibt es nicht jedes Jahr eine Schwangerschaft. Die Blauwaljungen kommen bereits mit etwa 7 Metern Länge zur Welt und wachsen dann sehr schnell, auch dank der sehr fett- und proteinreichen Milch. Dabei nimmt das Junge pro Tag rund 400 Liter Milch zu sich und somit 4kg pro Stunde zu… Es gibt zwei grosse Walgruppen, zum einen die «Toothed Whales» (Zahnwale) und zum anderen die «Baleen Whales» (Bartenwale), welche sich früh in der Entwicklung voneinander wegentwickelt haben. Das «Blowhole» ist gut verschlossen, damit kein Wasser eindringen kann. Zum Atmen wird dieses dann geöffnet und der Wal stösst hochkonzentriertes CO2 aus, welches dann sofort kondensiert – dies ist dann gut ersichtlich in der Luft. So entsteht die gut sichtbare «Luftblase», welche sie während des Atmens ausstossen. Blauwale essen jeweils g
ut 4 Tonnen Krill pro Tag, dafür später dann für rund vier bis sechs Monate nichts, da sie in die äquatorialen Regionen ziehen, um zu gebären. Dies stimmt sowohl für Wale aus dem Norden als auch aus dem Süden. Da aber beide jeweils im eigenen Winter in Richtung der Tropen unterwegs sind, begegnen sie sich dabei nie. Buckelwale sind offener bezüglich der Futterquellen. Sie jagen koordiniert und kreieren ein «Netz» aus Luftblasen, durch welches sich die Beute nicht mehr durchzuschwimmen getraut und so «gefangen» wird. Dann brauchen sie diese so eingeengte Beute nur noch zu futtern. Als letzte Punkte heute stehen noch die tägliche Informationsveranstaltung und das Abendessen auf dem Programm. Das Essen war bisher ausgezeichnet mit jeweils mehreren Menues, die zur Auswahl stehen. Ich hoffe, dass dies so bleiben wird :-) Da die See so unruhig ist, sind die Stühle und Tische angekettet… So ging dieser Tag auf See schnell vorbei – und so kommen wir der Antarktis immer näher. Morgen Nachmittag sollte es dann so weit sein :-) Nun hoffe ich, dass die Meeresbedingungen weiterhin so gut erträglich bleiben und freue mich aufs Bett.

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