Samstag, 28. Dezember 2024

Tag 152 – Sydney (Samstag, 28. Dezember)

Wir beginnen den Tag mit einem gemütlichen Frühstück zu Hause und gehen dann zur Bushaltestelle. Es hat viele Busse, welche in einem guten Takt unterwegs sind – aber sie nerven doch immer wieder… Zum einen sind die Fahrpläne unzuverlässig, es kann vorkommen, dass ein Bus einige Minuten zu spät ist – oder auch einige Minuten zu früh davonfährt. Und mehrfach sind Busse gar nicht gefahren, obschon sie im Fahrplan aufgeführt waren. Für uns ist dies einfach etwas mühsam, doch wer täglich auf den Bus angewiesen ist, steht hier vor grösseren Hindernissen. Uns passiert genau dies heute, dass ein Bus einfach nicht erscheint, obschon er auf allen Fahrplänen ausgewiesen ist. Nach einigen Minuten Wartezeit kommt dann aber der folgende 440er, welcher uns zum Paddington Market bringen soll. Dies ist ein schöner Markt auf dem Gelände der Primarschule, welcher jeweils am Samstag stattfindet. Hier wird handgefertigter Schmuck, Kunsthandwerk und allerlei an Kleidern angeboten. Wir sehen viel Ansprechendes – halten uns aber angesichts der nicht grösser werdenden Koffer zurück… Danach spazieren wir einige Minuten weiter bis zur Cook Road. Hier finde ich das Haus wieder, in welchem ich damals gewohnt habe. Es ist ein schönes Gefühl, hier zu stehen :-) Gleich daneben ist eine Tür offen zum Sydney Entertainment Quarter. Dieses Gelände war damals abgesperrt, aber nun hat es einige Restaurants, ein Kino, Möglichkeiten zum Padel- oder Pickleballspielen – und mittendrin das grosse Zelt des Cirque du Soleil. Wir verlassen das Areal wieder und gehen zurück an die Cook Road – und von hier weiter in den Centennial Park, welcher direkt daneben beginnt. Dieser ist ein sehr grosser Park mit Teichen, Sitzgelegenheiten – und viel freiem Raum, welcher genutzt werden kann. Wir machen einen Spaziergang und setzen uns ins Bistro für eine Stärkung. Dieser Park bringt mir ebenfalls viele Erinnerungen, da mein Weg von Zuhause an die Uni hier durch führte. Im Anschluss gehen aus dem Park und weiter in die Queen Street. Diese geht – wie meine Cook Road – von der Oxford Street ab, welche vom Zentrum bis hierhin eine immer interessante Gegend ist. Die Queen Street ist von grossen Bäumen geprägt und beherbergt edlere Boutiquen und schöne Cafés, in welchem wir eine weitere Pause machen. Danach gehen wir zurück zum Bus, welcher uns nach Hause bringt. Wir kochen uns ein Abendessen und machen uns dann im Anschluss noch auf einen Spaziergang durch unser Quartier. Da wir heute an meinem alten Zuhause waren, folgt der schon mal angesprochene Exkurs zu meinen Erinnerungen an Sydney. Den ersten Teil habe ich vor unserer Ankunft geschrieben, etwas später folgen Antworten zu den da formulierten Überlegungen. Ich bin sehr gespannt darauf, wie sich die Stadt heute präsentiert und wie sie sich für mich anfühlen wird. Ich hier bin am 8. Juli 1996 als 19jähriger angekommen, alleine und ohne wirklich jemanden zu kennen. Zu dieser Zeit waren weder das Internet noch Mobiltelefone breit verfügbar, daher hatte ich weder das eine noch das andere. Ich konnte für die ersten fünf Tage bei der Familie einer Austauschschülerin wohnen, welche im Jahr zuvor in Glarus an meiner Schule war. Ich wusste aber, dass ich nach diesen Tagen eine eigene Bleibe haben muss, da ein neuer Austauschschüler bei ihnen einziehen wird. So ging ich zum Kiosk und kaufte mir alle Zeitungen – und begann, die Wohnungsanzeigen durchzuforsten. All dies klingt aus heutiger Sicht so unfassbar weit weg… Und ist es auch für mich, aber damals gab es keine anderen Optionen. Es war nicht möglich, vorgängig bereits eine Unterkunft zu suchen und zu buchen. So waren es ungemein intensive erste Tage mit dem Ankommen in der Grossstadt und dem Wissen, dass ich möglichst bald irgendwo unterkommen muss. Die einzige Möglichkeit wäre gewesen, dass ich mich bei einer Familie einquartiert hätte, was über die Uni möglich gewesen wäre. Aber mein Ziel war, eine eigene Wohnung zu haben – in der Familie hatte ich ja zuvor immer gelebt… Ich fand ein Inserat, welches sich gut anhörte. Ich ging zum Maklerbüro und von da mit dem Auto zu einer kleinen Einzimmerwohnung mit separater kleiner Küche und Bad. Diese gefiel mir genügend gut, dass ich zusagte und etwas unterschrieb, was ich mit meinen damaligen Englisch-Kenntnissen kaum verstand. Aber ich war froh, dass ich nun ein Zuhause hatte für die kommenden Monate. Am nächsten Tag suchte ich meinen Uni-Campus – und merkte bald, dass dieser gar nicht im Hauptgebäude zu finden war… Es hat zwei kleine Nebenstandorte, der eine ist näher an meiner Wohnung, der andere weit weg… Zu meinem Glück war mein Standort gut gelegen – und konnte ich diesen in einer halben Stunde zu Fuss durch den Park oder noch etwas schneller mit dem Bus erreichen :-) Hier zeigte sich mir, wie oft es auch einfach Glück im Unvermögen braucht. Diese Erkenntnis versuchte ich mitzunehmen für das Leben zurück in der Schweiz… So ging ich nun täglich an die Uni, um besser Englisch zu lernen. Bei meinem Einstufungstest wurde mir rückgemeldet, dass es mit dem Proficiency wohl nichts werden würde… Mein Englisch sei zu schlecht, das Advanced werde das höchste aller Gefühle sein. Doch davon wollte ich mich nicht abschrecken lassen – ich war ja erst seit wenigen Tagen im Land, da würde sicher mehr möglich sein, als sie denken. Ich entschied mich dafür, mich für beide Prüfungen anzumelden – und möglichst intensiv zu lernen, damit es auch mit dem Proficiency klappen könnte. Ich meldete mich neben den regulären Kursen für zwei Abendkurse an: der eine war ein «teaching to the test»-Kurs, welchen ich zusammen mit vielen griechischen Secondas besuchte. Diese waren alle hier aufgewachsen und benötigten das Papier, um in Griechenland Englisch unterrichten zu können. Dies war das Ziel von vielen, so können sie die Heimat ihrer Eltern kennenlernen und gleichzeitig ein Auskommen verdienen. Wir waren nur drei Personen ohne englischsprachigen Hintergrund: eine Schweizerin, welche seit einigen Jahren mit ihrem Ehemann hier wohnte, eine Belgierin, welche auswandern wollte und daher bereits in Sydney lebte – und ich. Es war eindrücklich – für die Cambridge Advanced-Prüfung hatten sich mehrere hundert Personen angemeldet und die Prüfung fand in einem grossen Saal im Stadtzentrum statt. Währenddem das Proficiency in einer Schule in Bondi Junction geprüft wurde – hier waren es rund 20 Personen, welche sich versuchten, und davon kannte ich sechzehn aus meinem Abendkurs… Damals brauchte vieles so lange, dass es heute kaum mehr vorstellbar ist. Aber einige Monate später – ich war gerade in einem kleinen Dörfchen an der Westküste des Landes – erhielt ich die erfreuliche Nachricht, dass ich sowohl das Proficiency als auch das Advanced bestanden hatte. Im Nachhinein hätte ich mir das Advanced sparen können – aber dies gab mir die Unbeschwertheit, das höhere Level anzustreben. So hatte ich das Maximum herausgeholt – und einige Jahre später sollte mir diese bestandene Prüfung den Weg sowohl an die KEN wie auch an die KME ermöglichen. Es ist erstaunlich, wie sich im Nachhinein so vieles stimmig ergibt – was im direkten Erleben so noch nicht fassbar war… Für mich ist es daher ein sehr besonderes Gefühl, zurück in dieser Stadt zu sein. Der damalige Aufenthalt hier hat mir so vieles ermöglicht – und ich war bereit, mich für all dies bereit zu zeigen und offen zu sein für die Herausforderungen und Erlebnisse. So ist es schön, diesen Kreis zu schliessen :-) Ich als junges Landei in diese Weltstadt – und dann nach den Erlebnissen hier und später unterwegs im Land fühlte ich mich bereit für das, was kommen sollte. Nun sind wir seit zwei Wochen hier – einige Orte lösen noch deutliche Erinnerungen und/oder Gefühle aus. Zum Beispiel der Besuch des Zuhauses heute oder der Uni vor ein paar Tagen. Zudem die Gegend um den Circular Quay oder am Strand. Währenddem viele andere Orte nur diffuse Erinnerungen wecken oder nicht mehr erkennbar sind. Aber es gefällt mir, nochmals viel Zeit in dieser tollen Stadt verbringen zu dürfen.

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